Individuelle Realität
Die grundlegende Lehre der Neurolinguistischen Programmierung (NLP) besteht darin, dass jeder Mensch ein individuelles Weltbild besitzt. Dieses Weltbild wird geprägt durch eine Vielzahl von Einflussfaktoren: unsere Erziehung, die Beziehungen zu unseren Freunden, das Land und die Kultur, in der wir aufgewachsen sind, sowie die vielfältigen Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens gesammelt haben. Diese Komponenten formen uns zu den Personen, die wir heute sind, und definieren unsere Überzeugungen, Werte und Erwartungen an uns selbst sowie an die Welt um uns herum.
Bewusstsein und Unterbewusstsein
Diese Überzeugungen, Werte und Erwartungen sind fest in unserem Unterbewusstsein verankert. Man könnte das Unterbewusstsein als eine Art großflächige Tischplatte betrachten, auf der sämtliche automatisierte Handlungen ablaufen - vom Bremsen an einer roten Ampel beim Autofahren bis hin zum Kauen der Fingernägel, von der Wahrnehmung unserer Emotionen bis zur Art und Weise, wie wir sprechen. Diese automatisierten Prozesse dominieren unseren Alltag.
Demgegenüber stehen die bewussten Handlungen, die sich in der Metapher der Tischplatte wie das Loch eines eingeschlagenen Nagels darstellen lassen. Sie nehmen nur einen sehr kleinen Teil unserer mentalen Aktivitäten ein und erfordern erheblich mehr Energie. Ein gutes Beispiel dafür ist eine Person, die dazu neigt zu nuscheln. Wenn sie sich bewusst darauf konzentriert, ihre Aussprache zu verbessern, wird das erhebliche kognitive Ressourcen beanspruchen. Diese intensive Konzentration auf ihr Sprechverhalten kann dazu führen, dass sie Schwierigkeiten hat, sich gleichzeitig auf den Inhalt des Gesprächs zu konzentrieren. Unser Bewusstsein, obwohl kleiner und energieintensiver, hat die Fähigkeit, bewusst Verhaltensänderungen anzustoßen und anzuleiten, was es zu einem mächtigen Werkzeug in unserer Persönlichkeitsentwicklung macht.
Repräsentationssysteme
Jeder Mensch verfügt über sein individuelles bevorzugtes Repräsentationssystem, welches eine maßgebliche Rolle in Lernprozessen spielt. Manche Personen sind visuell orientiert und benötigen Visualisierungen wie Präsentationen oder Bilder, um Informationen zu verarbeiten. Andere wiederum sind auditiv geprägt und können gesprochene Inhalte besonders gut aufnehmen und speichern. Es gibt auch kinästhetisch orientierte Menschen, die durch haptische Erfahrungen, wie das Schreiben von Notizen, Informationen am besten behalten. Die olfaktorischen und gustatorischen Repräsentationssysteme, die sich auf Geruch und Geschmack beziehen, sind in den meisten Kontexten weniger relevant.
Die Kenntnis über das eigene bevorzugte Repräsentationssystem ist von großer Bedeutung, um die Selbstwahrnehmung zu stärken. Ebenso wichtig ist es, das Repräsentationssystem von Gesprächspartnern zu kennen, um eine effektive Kommunikation zu gewährleisten.
Beispiele:
In Beziehungen: Wenn ein Partner vorrangig kinästhetisch und der andere auditiv orientiert ist, kann das Zusammenleben gut funktionieren, solange beide ihre jeweiligen Vorlieben kennen und berücksichtigen. Wird dies jedoch vernachlässigt, kann es zu Missverständnissen kommen. Ein Partner, der seine Zuneigung durch Berührungen ausdrückt, kann vom anderen, der bevorzugt liebevolle Worte hört, möglicherweise missverstanden werden.
Im Verkauf: Verkäufer müssen in Trainings die Repräsentationssysteme intensiv studieren, da das Ansprechen des richtigen Systems entscheidend für den Verkaufserfolg sein kann. Ein kinästhetisch orientierter Kunde wird beispielsweise nicht durch eine Beschreibung von Optik und Klang eines Autos beeindruckt. Stattdessen muss ihm die Möglichkeit geboten werden, das Auto physisch zu erleben, etwa durch das Berühren der Ledersitze oder eine Probefahrt.
Im Coaching: Ein Coach muss die "Sprache" seiner Klienten verstehen, um eine enge Verbindung und Vertrauen aufzubauen. Dies erfordert ein genaues Zuhören und eine Interpretation der Sprachmuster des Klienten. NLP-Techniken können nur dann erfolgreich angewendet werden, wenn das Unterbewusstsein des Klienten durch das korrekte Repräsentationssystem und dessen Submodalitäten aktiviert und programmiert wird.
Inhalts- und Beziehungsebene
Neben den bereits erläuterten Repräsentationssystemen, die einen bedeutenden Einfluss auf unsere Kommunikation ausüben, gibt es auch das Konzept von KESSI. KESSI umfasst alle weiteren Aspekte, die unsere Wirkung auf andere bestimmen und uns sympathisch oder unsympathisch erscheinen lassen. Es ist nachgewiesen, dass wir Menschen umso sympathischer finden, je mehr Ähnlichkeiten wir mit ihnen teilen.
Daher neigen wir dazu, Personen besonders anzuziehen, die eine ähnliche Körpersprache (einschließlich Gestik und Mimik) aufweisen, ein hohes Maß an Empathie zeigen, eine angenehme oder ähnliche Stimme haben und mit einem vergleichbaren Sprechtempo kommunizieren. Wenn solch eine Person zudem Verständnis für das Gesagte zeigt, lässt sich schnell eine starke Verbindung, im Fachjargon "Rapport" genannt, aufbauen. Der Begriff "Rapport" entstammt der Psychologie und bezeichnet eine harmonische Beziehung zwischen Menschen, die durch gegenseitiges Verständnis und ein gutes Einfühlungsvermögen gekennzeichnet ist.
Kommunikations- & Handlungsprozess
Der Prozess der Kommunikation und Handlung vereint alle bisher besprochenen Aspekte. Anhand der abgebildeten Karikatur möchte ich den Prozess Schritt für Schritt erklären. Oben links auf dem Bild werden "Ereignisse" dargestellt. In einem zwischenmenschlichen Kontext kann dies beispielsweise ein Gespräch mit einer anderen Person sein. Die Informationen, die wir aus diesem Gespräch erhalten, werden zunächst durch die Art und Weise gefiltert, wie wir miteinander kommunizieren - ob wir dabei auf die VAKOG- oder KESSI-Aspekte achten. Ein Zitat bringt dies auf den Punkt: "Jemand, der uns absolut unsympathisch ist, kann uns alles erzählen."
Zudem wird der Filter durch unser individuelles Weltbild beeinflusst, das im ersten Kapitel erläutert wurde. Ein kurzes Beispiel: Es gibt Menschen, die positiv gestimmt sind und sich auf Ziele zubewegen, und solche, die Unangenehmes vermeiden möchten. Wenn Sie eine Diskussion über die Gefahren der Künstlichen Intelligenz (KI) mit einer grundsätzlich positiven Person führen, ohne ihr Raum für einen positiven Blick in die Zukunft zu lassen, wird diese Person früher oder später abschalten und ihren Filter aktivieren.
Wir setzen drei Arten von Filtern ein:
Tilgen: Dieser Filter wurde im Beispiel "KI & Abschalten" beschrieben und besagt, dass wir bestimmte Informationen ignorieren oder ausblenden.
Verzerren: Wenn ein Freund Ihnen von einem Problem erzählt und Sie ein ähnliches Problem in der Vergangenheit hatten, könnten Sie davon ausgehen, dass er die gleichen Gefühle und Gedanken hat wie Sie damals. Tatsächlich könnte seine Situation und seine Reaktion darauf aber ganz anders sein.
Generalisieren: Angenommen, Sie haben in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Hunden gemacht und schließen daraus, dass alle Hunde gefährlich sind.
Diese durch unser individuelles Weltbild gefilterten Informationen werden von unserem Unterbewusstsein verarbeitet, welches wiederum das Ergebnis unseres internen Weltbildes ist. Das Ergebnis wird schließlich durch unsere Äußerungen und Handlungen an unseren Gesprächspartner weitergegeben.
Individuelles Weltmodell Verstehen
Die primäre Aufgabe eines Coaches oder Therapeuten besteht darin, das Weltbild des Klienten zu erfassen und zu verstehen. Dabei ist es essentiell, dass der Coach eine vollkommen wert- und urteilsfreie Haltung einnimmt. Denn wie wir bereits erkannt haben: Mein Weltbild ist nicht das Weltbild meines Gegenübers.
Neurolinguistisches Programmieren (NLP) bietet zahlreiche Ansätze, die es ermöglichen, in das Weltbild des Klienten einzutauchen. Während dieses Prozesses ist es unabdingbar, Verständnis für alle Aspekte des Weltbilds des Klienten zu zeigen. Durch den Einsatz geeigneter Fragetechniken kann der Coach Aufschlüsse über bestimmte Verhaltensmuster gewinnen. Diese Erkenntnisse bilden dann die Grundlage, um den Klienten effektiv zu unterstützen und zu begleiten.
Mit NLP vom alten zum neuen Verhalten
Das letztendliche Ziel von NLP ist es, gemeinsam mit dem Klienten dessen Herausforderungen aufzuarbeiten und umzuprogrammieren.
Dieser Prozess konzentriert sich auf das Unterbewusstsein, das für fast alles, was wir verstehen und tun, verantwortlich ist. Dort setzt die Umprogrammierung an, um Veränderungen herbeizuführen, die der Klient anstrebt. Das "Umprogrammieren" geschieht durch die Anwendung verschiedener NLP-Techniken, die eine nachhaltige Veränderung im Verhalten und Denken des Klienten bewirken können.
Ich bedanke mich für Ihr Interesse - Grüße Tobi
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